April 2014 - Ausgabe 157
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Det is meen Berlin (1. Teil) von Astrid Osterland |
Vor fünf Jahren hatte ich mein »Coming home« und bin als geborene Berlinerin wieder in meine alte Heimatstadt gezogen, um meine Rente zu verjubeln. Ich wohne im Beginenhof in Kreuzberg, mit 52 Mitbewohnerinnen nach dem Motto »Nicht nebeneinander her sondern aufeinander bezogen, nachbarschaftlich und unterstützend miteinander zu wohnen«. Das erleichtert vieles - so auch die Bewältigung all dessen, was das Leben in meiner neuen Heimat jetzt so mit sich bringt. Dazu gehört die folgende Geschichte, bei der ich die gesamte menschliche Gefühlspalette durchlebt habe: Schrecken, Stress, Solidarität, Erleichterung, Peinlichkeit, Angst und Schmunzeln begleiteten das Geschehen. Und das kam so: Meine Wohnung liegt der Straße zugewandt, mit kleinem Garten nebst Terrasse. Ich hatte den Rasen fertig gemäht und wollte den Rasenmäher zurück in den Geräteschuppen bringen, zögerte aber, da auf dem Gartentisch neben der offenen Terrassentür noch mein Laptop stand - aufgeklappt und bereit zur Weiterarbeit. Da aber gleich neben meiner Wiese ein Gartenlokal liegt, in dem viele Gäste saßen, schien mir mein Computer sicher genug. Doch das war ein Irrtum: Als ich 10 Minuten später zurückkehrte, stand auf dem Tisch…..gar nichts mehr! Das bestätigte auch Mitbewohnerin Ursula, die ich als Zeugin herbeirief. Das Kabel war noch vorhanden, aber das Gerät futsch! Und das Schlimmste daran war: Der Computer stand zur Weiterarbeit bereit, kein Passwort konnte den Dieb zurückhalten, in die Intimbereiche des Computers vorzustoßen. Eine schlaflose Nacht war die Folge, und wenn ich nicht meine Mitbewohnerinnen gehabt hätte, die sich mit Empathie und Anteilnahme meiner angenommen haben, wären es noch mehr schlaflose Nächte geworden. Unvorstellbar, dass ein fremder Mensch mein ganzes Leben auf einem medialen Tablett vor sich hat! Angefangen von den Liebes- und Abschiedsbriefen, Einkommenssteuererklärungen, Protokollen bis hin zum Testamentsentwurf und Versicherungskorres-pondenzen bildet so ein Personal Computer das ganze Kaleidoskop eines Lebens ab, mit all seinen banalen, persönlichen und alltäglichen Dimensionen. Da steht alles drin, was einen Menschen umtreibt, und nichts, das ich ohne Einwilligung veröffentlichen würde. Das Verhältnis zu meiner neuen Heimat war zunächst gehörig gestört, aber mit Hilfe meiner Mitbewohnerinnen richtete ich den Blick nach vorn, ich kaufte einen neuen PC und versuchte zu vergessen. Da ich keine Person des öffentlichen Lebens bin, blieben die Geheimnisse meines Lebens vermutlich bei einer weiteren Person, die damit nichts anfangen konnte, zumal sie mich ja nicht persönlich kennt und ich sozusagen als Anonyma fungiere. So meine Hoffnung.• »Open Page« ist eine journalistisch-literarische »Open Stage«. Hier ist Platz für Texte von Lesern, die nicht ins Konzept passen, die wir Ihnen aber auch nicht vorenthalten möchten. |